Alfa 146 - die vergessene Schönheit
- alfaromeoliebe
- 9. Okt. 2020
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. März 2021

Ich bezeichne den Alfa 146 gerne als die vergessene Schönheit, weil er aktuell in den einschlägigen Youngtimer-Magazinen oder in der Alfa-Romeo Szene kaum Berücksichtigung findet. Schönheit ist natürlich immer Geschmackssache und liegt im Auge des Betrachters, aber ich persönlich empfinde das Konzept des Alfa Romeo 146 als viertürige Schrägheck-Limousine und Schwestermodell des Alfa 145 als ein interessantes und vom Design auch in der Modellhistorie sehr attraktives Modell.
Alfa Romeo brachte den 146er Mitte der 90er Jahre auf den Markt, zusammen mit dem Schwestermodell Alfa 145. Die beiden Modelle unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Anzahl der Türen, der Alfa 146 ist ein 5-türer, also vier Türen für die Fahrgastzelle und eine große Schrägheckklappe. Der Alfa 145 ist ein reiner Zweitürer mit umklappbaren Sitzen, um auf die Hecksitze zu gelangen, mit einer steilen Abrisskante als Kofferraum, er war das Modell von Alfa in der Golfklasse in dieser Zeit.
Von der Modellgeschichte aus gesehen, stehen die beiden Modelle als direkte Nachfolger des Alfa 33 und davor des Alfa Sud. Es ist also eine durchaus beachtenswerte Modellinie von Alfa Romeo, die mit dem Alfa Sud begann, gefolgt vom Alfa 33, dann die Modelle 145, 146. Dann folgte das Modell 147 und danach bis heute im Jahr 2021, die Giulietta. Damit handelt es sich um eine der wenigen Modellreihen von Alfa Romeo, die quasi unverändert vom Konzept von den 70er Jahren bis heute immer wieder Nachfolgemodelle erfahren hat und am Markt verfügbar ist.
Motorisierung und Design
Motorseitig wurde der Alfa 146 Mitte der 90er Jahre zunächst mit den bekannten Boxer-Motoren aus dem Alfa 33 angeboten, die dann aber Ende der 90er Jahre u. a. aufgrund von Abgasvorschriften durch die Twin-Spark-Motoren mit Doppelzündung (zwei Zündkerzen pro Zylinder) abgelöst wurden. Beim Alfa 146 war als Einsteigermotor zunächst der 1,6 Liter Twinspark mit 120 PS erhältlich, dann der 1,8 Liter Twinspark mit 144 PS und der 2,0 Liter Twinspark mit 155 PS, letzterer allerdings nur im TI-Modell, also im sportlichsten Modell des Alfa 146. Gegen Ende der Bauzeit wurden dann auch noch die sogenannten Junior-Modelle auf den Markt gebracht, mit einer reduzierten Motorleistung von 105 PS und einem 1,4 Liter Twin-Spark. Dieselben Motorisierungen waren auch im Alfa 145 zu finden. Mit dem 2.0 TD mit 90 PS wurde auch ein Dieselmotor angeboten, der hierzulabde aber kaum eine Rolle spielte.
Am Design begeistert mich persönlich insbesondere die Linienführung des Fahrzeugs wie auch der großzügige Innenraum, der in einigen Modellen auch in Lederausstattung erhältlich war, mit diversen Applikationen und Sonderausstattungen. Das abfallende Schrägheck mit der schrägen Heckklappe ist ein zeitloses und außergewöhnlich schönes Design, das auch heute in der Zeit der Shooting-Brakes noch aktuell ist. Die Heckansicht ist geprägt durch die großen Rückleuchten und die breite Stoßfängerpartie, die es wahlweise komplett in Wagenfarbe gab.
Der Innenraum und der Kofferraum zeichnen sich in dieser Klasse durch ein sehr gutes Platzangebot aus. Es ist problemlos möglich, mit einer vierköpfigen Familie einen mehrtägigen Ausflug samt Gepäck zu bewältigen. Das Platzangebot im Beifahrerraum ist durch die geschwungene Linienführung des Armaturenbretts sehr komfortabel. Das Fahrzeug ist ebenfalls mit Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet, die dem damaligen Niveau entsprachen mit Airbags für Fahrer und Beifahrer, ABS und ASR.
In puncto Motorisierung habe ich Erfahrungen mit dem 1,6 Liter Twinspark, 120 PS der für meine Begriffe völlig ausreichend ist für das Fahrzeug. Er hat einen wunderbar kernigen Sound, er ist agil und für Höchstgeschwindigkeiten bis zu 210 Kmh zu haben. Er ist ein sehr drehfreudiger Motor der alten Alfa Romeo Schule, hängt gut am Gas und macht einfach Spaß. Schon nach dem Start des Motors begeistert den Fahrer der kernige kehlige Sound. Ich persönlich habe einen geschlossenen K&N Sportluftfilter und einen Supersprint Sportauspuff nachgerüstet, was die Fahrfreude und die Leistung nochmal weiter steigert.
Technik-Probleme, Lösungen und Wartung
Mein Modell des Alfa 146 ist Baujahr 1997 und damit mittlerweile im 24. Lebensjahr. Das Fahrzeug habe ich mit rund 30.000 km erworben, aktuell weist er einen Kilometerstand von rund 145.000 km auf, ich habe also über 110.000 km Erfahrung mit dem Fahrzeug. In all der Zeit hat er technisch tatsächlich kaum Probleme gemacht. Ein bekanntes Problem aller Twinsparkmotoren aus dieser Zeit sind die Phasenwandler der Nockenwelle, die sich durch Laufgeräusche bemerkbar machen können, die dem Nageln eines Dieselmotors ähneln. Technisch ist es ungefährlich, aber es ist ein akustisches Problem, das beseitigt werden muss – am besten lässt man vorsorglich bei jedem Zahnriemenwechsel den Phasenwandler prüfen und ggf. mit austauschen.
Ansonsten bekannt aus dieser Zeit sind auch die relativ schwachen Kupplungsnehmerzylinder, die dadurch auffallen, dass sie undicht werden und die Hydraulikflüssigkeit, die an den Bremsflüssigkeitskreislauf angeschlossen ist, durch Leckagen direkt an der Manschette des Kupplungsnehmerzylinders austritt. Das ist ein Schaden, den man schnellstens reparieren sollte, da man über jeden Pedaltritt an der undichten Stelle Bremsflüssigkeit nach außen drückt. Die Reparatur ist mit relativ kleinem Geld zu machen, sie kostet inklusive Ersatzteilen und Arbeitszeit zwischen 200 und 250 Euro. Wer einigermaßen handwerklich geschickt ist, kann den Kupplungsnehmerzylinder auch selbst tauschen, weil er so verbaut ist, dass er ohne Probleme zugänglich ist.
Relativ schwach ausgelegt sind auch die hinteren Stoßdämpfer, die bei defekt durch Springen der Hinterräder bei Bodenunebenheiten oder kurzen Schlägen auffallen. Problematisch kann die Ersatzteillage direkt bei Alfa Romeo sein, so dass Stoßdämpfer aus dem Zulieferhandel bezogen werden müssen. Eine typische Krankheit bei Winterbetrieb sind die einfrierenden Handbremsseile und die leicht vereisenden Türschlösser. Allerdings gehe ich davon aus, dass heutzutage kaum jemand dieses Auto im Winter bewegt und diejenigen, die noch ein Modell in gutem Zustand besitzen es nur bei schönem Wetter bewegen, um es weiterhin zu bewahren.
Neben den regelmäßigen Wartungsarbeiten, die sich auf Ölwechsel (alle ein bis zwei Jahre) und Zahnriemenwechsel (spätestens alle 5 Jahre oder 60.000 km) beschränken, ist bei mir in den letzten Jahren an Mängeln lediglich ein Defekt des Kühlers aufgetreten, der aufgrund des Alters ausgetauscht werden musste, weil er undicht wurde. Beim Motoröl fahre ich seit jeher 5W-40 und kann diese Viskosität nur empfehlen. Zudem gab es einen geplatzten Schlauch der Servolenkung. Eine neue Kupplung war bei rund 100.000 km fällig. Störanfällig ist auch die Zentralverriegelung, die durch unregelmäßiges Selbstentriegeln auffällt und dann überholt werden muss.
In puncto Rost bin ich bis jetzt mit einem blauen Auge davon gekommen und das angesichts der Tatsache, dass der Alfa 146 von seinen 24 Lebensjahren in der überwiegenden Zeit ein Ganzjahresauto war, d.h. also sowohl im Sommer, als auch im Winter bei Salz gefahren wurde. Trotzdem hält sich die Rostproblematik in Grenzen.
An den Karosserieteilen ist nirgendwo Rost zu erkennen, weder an den Türen, an den Kotflügeln noch an der Heckklappe oder Motorhaube. Was natürlich auch damit zusammenhängen kann, dass das Auto von mir immer sehr gut gepflegt wurde. Etwas problematischer ist der Unterboden zu beurteilen, insbesondere an den typischen Stellen im Schwellerbereich wo sich unter dem Kunststoff schnell Schmutz, Feuchtigkeit und Salz über die Jahre ansammeln können und an den Wagenheberaufnahmen. Auch die Ablassöffnungen am Unterboden, die werksseitig eingebaut sind und bei der Produktion des Fahrzeuges mit Gummieinsätzen verschlossen wurden sind bekannte Stellen, an denen das Fahrzeug Rostprobleme aufweisen kann. Ich persönlich habe die Unterbodenproblematik dadurch gelöst, dass der Unterboden gesäubert und der Rost an den befallenen Stellen beseitigt wurde. Danach wurden die Stellen mit Fertan Rostumwandler behandelt und mit neuen Blecheinsätzen bearbeitet. Dann wurde der Unterboden mit Unterbodenschutz versiegelt. Hinsichtlich Rost sind ebenfalls Probleme im Bereich des Karosserierahmens an der Front bekannt und zwar in dem Bereich hinter den vorderen Radhausverkleidungen. Dort lohnt es sich genau hinzuschauen ob der Rahmen in diesem Bereich noch in Ordnung ist. Es kann zu massiven Durchrostungen an der Wand zwischen Radhaus und Motorraum auf der linken sowie auf der rechten Seite kommen.
Was Optimierungsmaßnahmen am Fahrzeug angeht, habe ich neben dem erwähnten Sportluftfilter und dem Sport-Auspuffendtopf breitere Felgen mit breiteren Reifen montiert, nämlich 205er 16 Zoll Reifen auf Zender-Monza-Felgen, da mir die serienmäßige Bereifung mit 185er Reifen auf Stahlfelgen zu klein war. Zudem wurde mit roten Eibach-Federn eine Tieferlegung verbaut, da das Fahrzeug ab Werk doch recht komfortabel abgestimmt ist. Wenn man das Fahrzeug allerdings regelmäßig mit Vollbeladung nutzt, ist von der Tieferlegung und breiteren Reifen in Kombination abzuraten, da bei Bodenunebenheiten die Reifen dann an der Hinterachse durchschlagen können und Karosseriekontakt haben. An der Vorderachse können sie in diesem Fall bei vollem Lenkeinschlag auch schleifen. Dem vorzubeugen ist nur durch einen aufwändigen Umbau an den Kotflügeln und der Radhausverkleidung durch entsprechendes Umlegen der Radhauskanten möglich. Wer das Fahrzeug also oft voll beladen oder mit vier Personen nutzen möchte, sollte die Serienfedern verbaut lassen.
Den Innenraum habe ich dadurch aufgewertet, dass ich die Stoffsitze und die Stofftürverkleidungen durch Verkleidungen und Sitze aus Leder getauscht habe. Dieser Austausch lässt sich auch durch einen Laien leicht selbst ausführen. Nur bei den Türverkleidungen ist beim Ein- und Ausbau Vorsicht geboten, damit die Kunststoffklammern nicht brechen. Am besten sollten diese Arbeiten nur bei warmer Außentemperatur durchgeführt werden.
Ersatzteillage und Gebrauchtwagenmarkt
Die Ersatzteillage ist aktuell wie bei vielen Modellen aus den 90er und Anfang der 2000er Jahre relativ angespannt, was bestimmte Teile angeht. Dies betrifft insbesondere einige Technikteile oder andere Verschleißteile wie Stoßdämpfer, elektrische Stellmotoren, Hebel und Schalter sowie Scheinwerfer. Extrem problematisch ist die Situation bei Ersatzteilen für die Karosserie und den Innenraum oder Kleinteile wie Tür- und Kofferraumdichtungen etc.. Dort muss man sehen, dass man auf dem Gebrauchtmarkt oder im Internet noch Teile beschaffen kann oder ein Schlachtobjekt findet, wo man sich Teile entnimmt. Motorseitig handelt es sich bei den Twinsparkmotoren um solche, die lange auch in anderen Modellen wie dem Alfa 156 und dem Alfa 147 in großer Anzahl verbaut wurden, samt aller Nebenaggregate. Dort ist also in den nächsten Jahren nicht mit Ersatzteilmangel zu rechnen. Das gleiche gilt für Bremsen und Getriebe, dort ist auch noch genügend Material am Markt vorhanden, mit Ausnahme der Bremsleitungen.
Was am Markt nicht mehr genügend vorhanden ist, ist das Auto selbst in einem nennenswert guten Zustand. Es wurden alleine schon von der Stückzahl her vom Alfa 146 viel weniger produziert, als vom Alfa 145 , da die dreitürige Variante im Wesentlichen junge Leute ansprach, die sich im Bereich der Golfklasse zu Hause fühlten. Eine viertürige Limousine in dieser Größenordnung war am Markt wenig nachgefragt, weshalb er auch in gutem Zustand sehr selten bis gar nicht mehr verfügbar ist.
Es gibt im Internet einige Modelle im Preis-Segment zwischen 500 und 1000 Euro, die aber oft in einem jämmerlichen Zustand sind. Das sind keine Autos in die es sich lohnt zu investieren. Die noch vorhandenen, wenigen guten Modelle beschränken sich in den einschlägigen Internetportalen hier in Deutschland auf eine Stückzahl, die man an einer Hand abzählen kann. Sie bewegen sich auf einem Preisniveau zwischen 2.000 und 4.000 Euro und Kilometerständen von knapp unter 100.000 bis in den Bereich von 150.000 km. Es handelt sich also um eine extrem dünne Gebrauchtwagenlage. Wer sich wirklich für den Alfa 146i interessiert, wird einen langen Weg und eine lange Suche auf sich nehmen müssen und auf jeden Fall bei der Besichtigung einen Experten, entweder aus dem Alfaclub oder aus dem sonstigen fachkundigen Umfeld zu Rate ziehen müssen, damit er ein vernünftiges Modell ersteht. Ansonsten ist die Freude an dem Fahrzeug nur von kurzer Dauer.
Wer wie ich zu den glücklichen zählt, ein gutes Modell im Besitz zu haben, der sollte es hegen und pflegen auch im Hinblick auf den aktuellen Wert des Fahrzeugs nicht verzweifeln. Ich bin mir sicher, dass in 5 bis 10 Jahren, wenn der Alfa 146 dann Anspruch auf ein H-Kennzeichen hat und in den Oldtimerstatus übergeht, das Fahrzeug wesentlich an Wert zulegen wird. Er wird allerdings niemals ein Fahrzeug werden, das in den deutlich 5stelligen Bereich im Wert aufsteigt, da müsste er schon noch die nächsten 20 bis 30 Jahre überleben. Das Fahrzeug ist definitiv eine gute Wahl für Liebhaber, die ihn mögen und die ihn am Leben erhalten möchten, um die Szene damit zu bereichern.
Um ihn am Leben zu erhalten sind regelmäßige Wartungsarbeiten durchzuführen, der Zahnriemenwechsel, die Phasensteller und regelmäßiger Ölwechsel gehören dazu. Die Twinspark-Zündkerzen sind sehr langlebig, weil es Platinkerzen sind und nur alle 120.000 km ein entsprechender Austausch vorzunehmen ist. Der schlägt dann allerdings mit rund 300 Euro zu Buche, da aufgrund der Doppelzündung 8 Zündkerzen vorhanden sind. Der Preis eines Zahnriemenwechsels mit Wasserpumpe und ggf. Phasensteller bewegt sich im Bereich zwischen 700 und 900 Euro, wenn man es in der Werkstatt machen lässt. Wer jetzt spitz rechnet könnte auf die Idee kommen, dass dies dann schon ein wirtschaftlicher Totalschaden sei, angesichts des Marktwerts des Fahrzeugs, aber als Liebhaber und Bewahrer dieses Fahrzeugs darf man so eben nicht rechnen. Die Tatsache, dass das Fahrzeug überhaupt noch auf der Straße gehalten wird in den geringen Stückzahlen, in denen es noch verfügbar ist, ist meiner Meinung nach auf jeden Fall das Geld wert, das in die Erhaltung und Wartung fließt.
Alles in allem ist es einer meiner Lieblingsmodelle von Alfa Romeo. Ich bin schon Dutzende Modelle gefahren, freue mich aber immer wieder auf den Saisonstart und auf den damit verbundenen Start des Motors, der bei mir und auch bei allen, die als Beifahrer mit in dem Fahrzeug unterwegs sind, ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Es ist eine wahre Freude, wenn dieser drehfreudige, heisere Klang des 1,6 Liter Twinsparkmotors seine Leistung entfaltet. Deshalb ist es mir auch absolut unverständlich, warum er im Moment in der Youngtimerszene und in der Fachliteratur überhaupt keine Erwähnung findet. Das sollte sich unbedingt ändern, um auch noch andere für das Modell zu begeistern.
Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr mir gerne unter alfaromeliebe@gmx.de schreiben.
Comentarios